Homeoffice: Führen mit Fingerspitzengefühl

Homeoffice: Führen mit Fingerspitzengefühl

Ein Team aus der Entfernung zu führen, erfordert eine eigene Herangehensweise. Diese Erfahrung haben viele Führungskräfte während der Coronapandemie gemacht. Welche Strategien sich bewährt haben – und worauf bei der Rückkehr aus dem Homeoffice zu achten ist.

In Vor-Corona-Zeiten war Führung einfacher, zumindest in klassischen Büros. Chef oder Chefin hatten täglichen Kontakt zu den Mitarbeitern, sahen, wer überlastet und hatten die soziale Teamdynamik im Blick. Dann kam die Pandemie, ganze Belegschaften saßen auf einmal vor dem heimischen Rechner.

Daran wird sich so schnell nichts ändern. Laut einer Studie des Personaldienstleisters Hays unter 750 Führungskräften wird das ortsunabhängige Arbeiten Teil der neuen Arbeitswelt bleiben. So haben mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bereits Homeoffice-Regelungen eingeführt, wobei eine hybride Lösung mit einer Mischung aus Präsenz- und Homeoffice-Tagen das gängigste Modell ist. Dabei ist der Mix aus drei Tagen im Unternehmen und zwei Tagen im Homeoffice der Favorit.

Grundsätzliche Regeln

Dies erfordert eine Mischung aus flexibler Führung mit gutem Einfühlungsvermögen bei gleichzeitig klaren Regeln. Als Basis können Empfehlungen des Instituts für Arbeitswissenschaft (IFAA) dienen:

  • Vereinbaren Sie klare Ziele, Entscheidungswege, Kommunikationskanäle und Regeln der Erreichbarkeit.
  • Besprechen Sie mit den Beschäftigten, wann und wie häufig über Aufgaben und Ziele geredet wird, um die persönlich empfundene Grenze zwischen Vertrauen und Kontrolle auszuloten.
  • Vermitteln Sie Sinn und Zweck einer Aufgabe.
  • Geben Sie Orientierung durch gemeinsam definierte Ergebnisse und Kennzahlen statt durch Arbeitszeit.
  • Geben Sie regelmäßiges Feedback. Schenken Sie den Beschäftigten Vertrauen und Wertschätzung, und geben Sie Anerkennung für ihre Leistungen.

Das kostet Energie: Das Führen auf Distanz ist für 70 Prozent der befragten Chefs mit mehr Zeitaufwand und Organisation verbunden, ergab die Hays-Studie. Die Führungskraft muss nicht nur mehr Zeit für Briefings und Abstimmungen einplanen, auch individuelle Mitarbeitergespräche gehören dazu. Denn Konflikte innerhalb des Teams, ein zu hohes Arbeitsaufkommen oder andere belastende Themen sind aus der Distanz bedeutend schwerer zu erkennen.

Doch ohne Investitionen in Mitarbeiter und Chefs geht es nicht, betont das IFAA: Dies gilt zum einen für die Qualifizierung der Beschäftigten im Hinblick auf Selbstmanagement und Eigenverantwortung und zum anderen für die Qualifizierung der Führungskräfte im Umgang mit digitalen Technologien und den neuen Führungsanforderungen. Patentlösungen gibt es dabei nicht – im Idealfall guckt sich ein Unternehmen jede Abteilung im Einzelnen an.

Überwiegend verändertes Führungsverhalten

Die Hays-Studie hat drei Führungstypen ermittelt, die sich auf Basis der neuen Rahmenbedingungen herauskristallisiert haben:

  1. 52 Prozent der Befragten setzen auf verstärkte Motivation und individuelle Betreuung der Mitarbeitenden, allerdings in Kombination mit kleinteiligen Vorgaben und einer engmaschigen Kontrolle.
  2. Rund 30 Prozent räumt seinen Mitarbeitenden seit Corona mehr Freiräume ein und motiviert zu eigenverantwortlichem Arbeiten.
  3. Die mit 18 Prozent kleinste Gruppe der Führungstypen hat ihren Führungsstil nicht geändert.

Gerade eine verstärkte Kontrolle kann allerdings kontraproduktiv sein, da sie Eigenverantwortung verhindert. Dies kann zu Frustration und Leistungsabfall führen – und im schlimmsten Fall zum Arbeitsplatzwechsel. Auf Dauer erfolgreicher ist der kooperative Führungsstil. Die Führungskraft muss dabei allerdings loslassen lernen, mehr coachen als führen, Verantwortung übertragen und die Mitarbeiter als Unternehmer im Unternehmen sehen. Dazu gehört auch eine offene Fehlerkultur.

Hybrides Arbeiten als Daueraufgabe

Aktuell sind zwei Trends zu beobachten: In zahlreichen Unternehmen wird Homeoffice ausgebaut, gleichzeitig werden neue Mitarbeiter eingestellt, die dauerhaft daheim arbeiten. Ihre Führung und Integration stellt eine besondere Herausforderung dar. In anderen Betrieben, die fast alle Mitarbeiter nach Hause geschickt haben, wird Homeoffice zurückgefahren, aber dauerhaft hybrid gearbeitet – hier besteht die besondere Herausforderung, alle bei dieser Rückführung gleich zu behandeln und denselben Zugang zu Informationen zu bieten.

Denn leicht besteht gerade beim gemischten Arbeiten die Gefahr, dass ein Kernteam, meistens im Firmengebäude, informell schon viele Dinge geklärt hat. Dadurch können sich die Mitarbeiter im Homeoffice leicht vor den Kopf gestoßen fühlen. Gleichzeitig sind es aber auch gerade die berühmten Treffen an der Kaffeemaschine, die neue Lösungsansätze hervorbringen. Auf dieses kreative Potenzial sollte nicht verzichtet werden. Deshalb gilt auch hier: Führung mit Fingerspitzengefühl.

Nicht jeder kann gleich gut mit Homeoffice umgehen. Je länger die Heimarbeit dauert, desto größer können in Einzelfällen Einsamkeit und soziale Isolation werden. Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen, zuzuhören, die individuelle Situation der Teammitglieder zu verstehen mit ihnen nach Lösungen zu suchen. Das betrifft auch Themen wie Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen.

Nicht zuletzt daher sollten Führungskräfte auf regelmäßige Teammeetings setzen – sowohl virtuell, als auch physisch. Denn der Gemeinschaftsgeist muss immer wieder neu gefördert werden. Online geht dies durch Kaffeerunden oder ein Feierabendbier per Videokonferenz. Ohne physische Treffen geht es aber auch nicht – das kann ein Workshop am Meer sein oder ein gemeinsames Grillen. Gerade auch für die Integration neuer Mitarbeiter kann dies entscheidend sein. Und es ist auch gut für Chefs. Denn nur wer auf sich selbst und seinen eigenen Stress-Level achtet, kann dauerhaft motiviert arbeiten und andere führen.

Mitarbeiter im Homeoffice fördern

Und wer seinen Mitarbeitern daheim Wertschätzung zukommen lassen will, kann sie auch mit Extras unterstützen – denn schließlich sparen die Unternehmen ja oft Geld für Strom, Heizung und Wasser. Zuschüsse für Arbeitsgeräte oder eine neue Kaffeemaschine für die häusliche Küche können ganz nebenbei die Bindung an das Unternehmen fördern.

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